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6.-10.04.06 Wahrhaftig der Wohlstandspöbel oder die Verschiebung von Schulden (Teil 7)
Geschrieben von: Karl Fr.Eckhardt   
In seiner Geschichte des Stiftungsrechts schreibt Hans Liermann: "Das bürrgerliche Spital hatte sich um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts durchgesetzt." - Fürnfundfürnfzig Jahre vor dieser Wende bekam Braunschweig eine der ältesten noch existierenden Stiftungen der Republik, die nicht von der Kirche sondern auf Initiative und mit dem Vermögen Braunschweiger BürrgerInnen gegrürndet wurde. Die Stiftung kürmmerte sich um die sozialen Belange des Gemeinwesens, um Kranke und Arme, bot ihnen Unterkunft und Verpflegung: das Hospital Beatae Mariae Virginis (BMV) aus dem später, um 1700, das Große Waisenhaus BMV wurde.

Eine Schirm- und Schutzurkunde von Herzog Otto dem Kind, Enkel Heinrichs des Löwen, aus dem Jahr 1245 hält fest, "das unsere geliebten Bürrger [.... quod dilecti burgenses ....] von Braunschweig mit frommer Eingebung des Geistes es fürr nürtzlicher hielten, mit den ihnen von Gott anvertrauten Pfunden zu wuchern, als sie in der Erde törichter Weise zu vergraben. Und so haben sie mit den von dem Herrn ihnen gegebenen Gürtern in der Alten Wiek ein Spital zur Ehre der seligen Jungfrau Maria errichtet, in dem Gebrechliche und Kranke Aufnahme und Verpflegung finden sollen .... Wir wollen diese Gürter frei wissen von der Vogtei und sie wie unser Eigentum schirmen und schürtzen."

Zwei Tage später ließ nach der weltlichen auch die geistliche Macht dieser - auf Initiative Braunschweiger Bürrger gegrürndeten - Stiftung durch Bischoff Meinhard von Halberstadt ihren besonderen Schutz angedeihen: "Da nun die gläubigen und gottergebenen Bürrger [.... et Deo devoti burgenses ....] in Braunschweig unter Eingebung des Herrn beschlossen haben, in dieser Stadt ein Spital zu errichten, in dem Arme und Kranke aufgenommen werden sollen, und auch schon innerhalb der Grenzen unserer Diözese einen geeigneten Platz geschaffen haben, .... Falls jemand auf Anraten des Teufels sich vermessen sollte, dies Spital oder die Gürter, die es jetzt besitzt und später besitzen wird, sowie die zu ihm gehörigen Personen zu belästigen, so wisse er, dass er dem Zorne des allmächtigen Gottes und unserem Bannfluch verfallen ist." (ürbersetzungen v. Hartmann, Die Braunschweigischen Stiftungen ...)

Und nun dies im Jahre 2006 (Braunschweiger Zeitung, 05.03.06): "Bei der Stadt Braunschweig ist man mittlerweile sicher, so Sozialdezernent Ulrich Markurth, 'dass es fürr die Stiftung ein Ende mit Schrecken geben wird.' .... Um allein das Ruhegeld der Stiftungsmitarbeiter weiter zu zahlen, wären laut Landesrechnungshof mehr als vier Millionen Euro nötig. Markurth meint: 'Die Probleme können nur mit Stiftungsvermögen aus der Welt geschaffen werden.'"

Diese Lösung kann in Braunschweig wahrlich nicht verwundern, dagegen stehen aber die Grundprinzipien des Stiftungsrechts: "Das grundsätzliche gesetzliche Verbot, Grundvermögen zu verbrauchen, zu verschenken oder mit anderen Vermögenswerten zu vermischen, ist einer der wichtigsten Grundsätze des Stiftungsrechts", fassen Andrick/Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, die Grundlage zusammen, auf der wohltätige Stiftungen wie die des Braunschweiger Großen Waisenhauses schon mehr als 760 Jahre erhalten bleiben konnten.

Wie kann man nun so eine Stiftung zu Grunde richten? Indem man ihr mehr Aufgaben auflastet, als es ihr Grundvermögen erlaubt. Das wurde hier offensichtlich gemacht, und es kommt einer Plürnderung des Stiftungsvermögens gleich. Missbraucht wurde die Stiftung von der Stadt Braunschweig, die ihr mehr kommunale Aufgaben ürbertrug, als die Stiftung mit ihren Einnahmen aus dem Grundvermögen bewältigen konnte.

Dass Markurth den Verkauf von Stiftungsvermögen als Lösung ansagt, kann auch insofern nicht ürberraschen, wie es da noch so einiges zu holen gibt. Der Rechnungshof spricht von einem vorhandenen, nicht unbeachtlichen Vermögen, dabei Grundbesitz von ca. 15 Millionen Euro. Wenn man die Verbindlichkeiten abzieht, verbleiben noch gegen 10 Millionen.

Im Sinne Meinhards von Halberstadt eine wahrhaft teuflische Politik: man gönnt sich aus städtischem Haushalt Vip-Logen, Schloss-Fassaden und schwarze Zahlen - und plürndert dafürr eine der ältesten, ehrwürrdigsten und stolzesten Bürrgerstiftungen der Republik fürr "Arme und Gebrechliche".

Otto das Kind und Meinhard von Halberstadt sprachen von geliebten, gläubigen und gottergebenen Braunschweiger Bürrgern, welche die Stiftung im Jahre 1245 errichteten. Der Braunschweiger "Wohlstandspöbel" (Helmuth Plessner) des Jahres 2006 giert danach, diese Stiftung zu Grunde zu richten.

Schande ürber Braunschweig!

 

08.04.
War vor zwei Tagen noch von "einem Ende mit Schrecken" fürr die Stiftung und ihre Aufgaben die Rede, so geht es heute in der Braunschweiger Zeitung nurmehr um einen reibungslosen "Trägerwechsel" fürr Kindertagesstätten und Heime. Offensichtlich ist sich die Stadt doch einer Verantwortung bewusst, und nach dem heutigen Bericht wäre oben ein milderer Ton angesagt.

Es stellt aber nach wie vor die Verantwortlichkeiten auf den Kopf, wenn Markurth und  der Braunschweiger Landtagsabgeordnete Kurt Schrader weiter Verantwortung bei der Stiftung selbst sehen. Denn Stadt und Land verwalten die Stiftung durch zwei Direktoren. Einer der Direktoren war frürher Mitglied der Bezirksregierung und wird jetzt direkt durch das Land bestimmt. Der andere Direktor ist qua Stiftungssatzung der oberste Verwalter der Stadt Braunschweig, also Dr. Gert Hoffmann, der diese Aufgabe allerdings an einen untergebenen Verwaltungsbeamten delegiert hat (an den Sozialdezernenten Markuhrt oder an den Wirtschaftdezernenten Roth?) - natürrlich bleibt Hoffmann da aber dennoch qua Satzung in der Verantwortung.

Dass die Stadt Braunschweig  jetzt vom Sozialministerium Zahlen und Unterlagen fürr den Wirtschaftbetrieb der Stiftung einfordert, muss erstaunen, da ihr selbst doch die Geschäftsfürhrung untersteht. Hat sie sich also ürberhaupt nicht darum gekürmmert?

 

09.04. - Kleiner, grober Exkurs zur rechtlichen Situation der Stiftung
Der Landesrechnungshof vertritt die finanziellen Interessen des Landes Niedersachsen. Er kritisiert unter anderem, dass die Stiftung allein kommunalen Zwecken dient, obwohl es ja eine Landesstiftung sei, deren Frürchte also dem Lande auch ürberregional zu Gute kommen sollten.

Wie v. Hartmann, Die Braunschweigischen Stiftungen öffentlichen Rechts, ürberzeugend darlegt, hatte die Stiftung von 1245 bis zur Eroberung der Stadt durch Herzog Rudolf August im Jahre 1671 privatrechtlichen Charakter. Die Stiftung war von vermögenden Familien aus dem Bürrgertum gegrürndet und unabhängig von Feudal- und Kirchenherrschaft, die der Stiftung in den  "Grürndungsurkunden" ihre weitere Unabhängigkeit und Schutz garantierten.

Nach der Eroberung wurde die Stiftung mit der gesamten Finanzverwaltung der Stadt fürrstlicher Herrschaft unterworfen und bekam dadurch den Charakter einer öffentlich-rechtlichen Stiftung. Der Stiftungszweck wurde erweitert - Schulen und auch ein Zuchthaus wurden von der Stiftung mit gebaut und getragen, wobei der Stiftung dafürr auch erhebliche Mittel der herrschenden herzoglichen Feudalität zuflossen. Mit Ausnahme der kurzen napoleonischen Zeit hatte man dann seit ca. 1700 das Prädikat einer "fürrstlichen-" oder "hochfürrstlichen" Stiftung, bis zum Jahr 1826, als daraus per Dekret "herzoglich" wurde.

Soziale Probleme in den 1820er Jahren und ein Aufstand gegen das Herzogtum, der 1830 mit der Vertreibung Herzog Karls in Plürnderung und Niederbrennung des alten Schlosses kulminierte, fürhrten zu neuen Verträgen, die der Stadt ein Mitbestimmungsrecht in der Verwaltung sicherte. Im April 1833 legte man jedes feudale Prädikat ab und nennt sich seitdem nur noch das Große Waisenhaus Beatae Mariae Virginis.

Die Sicherung städtischen Einflusses fürhrte aber nicht auch zu einer Rürckkehr in Richtung einer privatrechtlichen Stiftung, nur teilten sich in der Folge Stadt und Land die Kontrolle, Verwaltung und Aufsicht der Stiftung, wie das dann grundlegend zuletzt 1954 in einer neuen Stiftungssatzung festgelegt wurde.

Stadt und Land tragen also in dieser und fürr diese Stiftung die Verantwortung, die Stiftung hat keine privatrechtliche "Eigenverantwortlichkeit", wie unterstellt wird, wen man sie jetzt als Stiftung in die "Pflicht" nehmen will. Das Land Niedersachsen hat zwar ein spezielles Stiftungsrecht, das aber nur privatrechtlichen Stiftungen einen gesetzlichen Rahmen vorschreibt. Ohne eine solche gesetzliche Grundlage können Stadt und Land recht willkürrlich mit der Stiftung und ihrem Vermögen umgehen, nur durch Grundsätze der allgemeinen Haushaltsfürhrung beschränkt. Die privatrechtliche Schutzfunktion, die Otto das Kind der Stiftung garantierte, entfällt und einer teuflischen Politik, wie Bischoff Bernward von Halberstadt sie vorsorglich verfluchte, ist Türr und Tor geöffnet. Die Verantwortung dafürr wie fürr alles wesentliche liegt jedenfalls bei der Stadt und beim Land, nicht bei der Stiftung, die keine Eigenverantwortlichkeit hat.

 

10.04.06 Braunschweiger Zeitung: "Der CDU-Landtagsabgeordnete Kurt Schrader versicherte den Demonstrationsteilnehmern, er werde sich (wie berichtet) im Sozialministerium in Hannover fürr Lösungsmöglichkeiten stark machen." so aus einem Bericht ürber die Demonstration fürr den Erhalt der Stiftungseinrichtungen.

Wieweit fallen die Aufgaben, die von der Stiftung bisher erfürllt werden, in den Verantwortungsbereich des Niedersächsischen Sozialministeriums, wieweit sind sie Sache des Braunschweiger Sozialamtes? Der niedersächsische Rechnungshof schien zumindest der Meinung, dass dort eine Stiftung, die zumindest auch soziale Aufgaben des Landes zu erfürllen hätte, vornehmlich fürr lokale Zwecke eingesetzt würrde, die dann wohl in den Verantwortungsberich des Braunschweiger Sozialamtes und nicht in den des niedersächsischen Sozialministeriums fallen würrde.