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12.10.10 Braunschweig 21 ?
Geschrieben von: Andreas Matthies   

Der Bewegung gegen das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ wird immer wieder der Vorwurf gemacht, das Projekt sei doch schon jahrelang bekannt. Die Bürger hätten also viel Zeit gehabt, um auf die politischen Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Nun hätten die politischen Gremien entschieden und Widerstand dagegen sei nicht mehr legitim. Nicht anders wird hier in Braunschweig gegen die Bewegung argumentiert, die sich gegen die Verlängerung der Startbahn des Flughafens richtet.   Das Argument – zunächst durchaus einleuchtend – enthält aber einen entscheidenden Fehler. Eigene Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger setzt voraus, dass diesen alle wichtigen Informationen zur Verfügung gestellt werden und dass sie sich ein Bild nicht nur über die zu erwartenden Vorteile eines Projekts, sondern auch über die möglicherweise eintretenden Nachteile machen können. Eben dies wurde und wird durch die örtliche Presse nicht geleistet – im Gegenteil !                         

„Ohne Stuttgarter Zeitung kein Stuttgart 21“  
Uwe Vorkötter, einst Chefredakteur der „Stuttgarter Zeitung“ und nun bei der „Berliner Zeitung“, räumt heute ein, es sei „ein Fehler gewesen, Stuttgart 21 zu Stuttgarter Zeitung 21 zu machen“. Und Ressortleiter Zielke kommentiert:“ Ohne die Zustimmung der Stuttgarter Zeitung zu diesem Großprojekt würde, so vermute ich einfach mal, Stuttgart 21 nie gebaut werden.“ Josef-Otto Freudenreich, vormals Chefreporter der Stuttgarter Zeitung, berichtet  über ein Treffen im Weinberghäuschen der IHK, das Mitte der 90 er Jahre stattfand. Teilnehmer waren neben den Spitzen von CDU und der SPD, einflussreichen Wirtschaftsführern und Bankern die Chefredakteure der vier wichtigsten Zeitungen des Landes Baden-Württemberg. Ergebnis war die Übereinkunft: “Wir stehen hinter Stuttgart 21.“ Spätestens seit dieser Zeit sei die Berichterstattung der Stuttgarter Medien auffällig positiv, und das bis heute (alle Informationen aus: stern.de vom 7.10.10). Die Stuttgarter Bürger konnten sich demnach nicht mithilfe der örtlichen Presse eine Meinung bilden, sondern nur an ihr vorbei. Schlimmer noch – sie mussten erst die von dieser Presse erzeugte Nebelwand durchdringen, um ein klares Bild der realen Konturen des Projekts zu gewinnen.

Braunschweiger Nebelwand seit 2002 entwickelt  
Und in Braunschweig? Eins lässt sich immer klarer nachvollziehen: seit 2002 wurde eine massive Nebelwand vor dem Projekt „Startbahnverlängerung“ aufgebaut. Stück für Stück  geraten nun aber Dokumente ans Licht, die die Verantwortlichen lieber für sich behalten hätten. Dank eines stadtbekannten Ratsherrn, dem Akteneinsicht gewährt werden musste, kann sich jetzt jeder selber ein Bild machen. Ausführlich findet sich die Dokumentation auf [www.braunschweig-online.com]  (die meisten Informationen unter dem Stichwort „Fördermittel-Erschleichung“), deshalb mögen an dieser Stelle einige Beispiele genügen.

Am Anfang stand nur der Wille, die Verlängerung der Startbahn durchzudrücken. Dabei war schon klar, dass es schwierig sein würde, an die notwendigen Fördermittel heranzukommen (Gabriel 2002: „nur beschränkte Förderungsmöglichkeiten“). Deshalb knobelten nicht wenige Herren aus verschiedenen „Häusern“ an einer Begründung, die die Millionen fließen lassen und die Bürger zumindest ruhig stellen sollte: 
  
-   Als Problem wurde erkannt, dass die EU generell keine Regionalflughäfen fördere, schon gar nicht, wenn es sich „um eine Investition für einen „klassischen“ Regionalflughafen als Verkehrsflughafen“ handle.   
-   „Animositäten bei EU-Instanzen“ seien auch zu befürchten, weil von den etwa 30 000 Flugbewegungen auf dem Braunschweiger Flugplatz „nur rund 500 auf die Forschungseinrichtungen entfallen“ und weil das eine viel kleinere Anzahl sei als etwa die „der Flugbewegungen durch VW“.     
-   Auch dürfe nicht die Flughafen GmbH als Projektträger auftreten, „da es sich um eine GmbH handelt, die Einnahmen erzielt“.  
-   Das Projekt müsse zudem  unbedingt „unter einem Gesamtkostenansatz von 50 Millionen Euro bleiben, da oberhalb dieser Summe …  schärfere Kontrollen (seitens der EU, A.M.) erfolgen würden.“  
-   Vor allem aber: man brauche einen „Argumentations-Ast „Technologiezentrum“, z.B. auf dem Flughafengelände.“ Forschung und Wissenschaft machten sich immer gut, zumal die EU ja den Lissabon-Prozess ausgerufen habe. Das daraufhin entwickelte Bild des „Forschungsflughafens“ steht also für den Versuch, alle ausgemachten Förder - Klippen zu umschiffen und gleichzeitig  positive Assoziationen bei den Bürgern hervorzurufen.

BZ-Redakteur Meyer lässt da keinen Zweifel aufkommen: ein Scheitern der Startbahnverlängerung wäre „ein düsteres Signal für den Standort Braunschweig“, so aber sei „Braunschweig weiter im Aufwind“, weil die Verlängerung die Voraussetzung sei „für mehr Arbeitsplätze, für neue Firmenansiedlungen oder für größere Folgeinvestitionen“ (BZ vom 22. Mai 2009).   Durch die Hartnäckigkeit und die Ausdauer von Initiativen und Bürgern bekommt dieses Bild nun immer größere Risse. Gäbe es in der Stadt eine Presse, die dafür sorgte, dass alle Bürger über die inzwischen bekannten Informationen verfügten, wäre das Projekt wohl nicht mehr zu halten. Allein die Tatsache, dass die nun zutage liegenden Informationen von der BZ – oder nur von Herrn Meyer? - verschwiegen werden, zeigt, dass wir darauf nicht bauen können. Der Nebel verflüchtigt sich in diesem Fall nicht von selbst. Wie bei Stuttgart 21.