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30.03.10 Zum Geburtstag von Dr. jur. Helmut Kramer – ein Name für Zivilcourage in der Nachkriegsjustiz
Geschrieben von: Uwe Meier   

Der Richter im Ruhestand Dr. Helmut Kramer hat heute, am 30. März 2010, Geburtstag - er wird 80 Jahre alt. Meine Glückwünsche übermittele ich ihm mit großem Respekt vor seiner Menschlichkeit und seiner außergewöhnlichen Lebensleistung.

Helmut Kramer arbeitet bis heute mit wissenschaftlicher Genauigkeit und großem persönlichen Engagement die endlos erscheinende Terrorjustiz im Nazideutschland und im Braunschweiger Land auf. Den deutschen Richtertypen hält er den Spiegel vor, wie es Dr. Ingo Müller in der Würdigung Helmut Kramers zur Verleihung des Hans-Litten-Preises durch die Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) am 26. November 1994 in Hamburg ausgedrückt hat.

Wer bekommt schon gerne den Spiegel vorgehalten? Richter vermutlich am wenigsten, weil sie es gewohnt sind Recht zu haben, egal unter welcher staatlichen Ordnung sie gedient haben – ob unter einem Terrorregime oder einer demokratisch verfassten Ordnung. Es ist nun mal eine vielfach belegte Tatsache, dass kein Richter aufgrund seiner Terrorurteile im Nachkriegsdeutschland verurteilt wurde. Und es ist eine Tatsache, dass viele der Blutrichter im Nachkriegsdeutschland steile Karrieren gemacht haben – sei es in der Justiz, Politik, Verwaltung oder in der Landeskirche.

Besonders intensiv hat sich Helmut Kramer mit dem Fall Erna Wazinski befasst, die 1944 als „Volksschädling“ vom Sondergericht Braunschweig zum Tode verurteilt und im Gefängnis von Wolfenbüttel hingerichtet wurde. Wilhelmine Wazinski, die Mutter der Getöteten, hatte in der aufstrebenden Bundesrepublik mehrfach vor mehreren Gerichten versucht, ihre Tochter durch Wiederaufnahmeverfahren zu rehabilitieren, war damit jedoch stets gescheitert.

Helmut Kramer war 1965 mit dem Fall als junger Assessor befasst. Statt der von Helmut Kramer vorgeschlagenen finanziellen "Entschädigung" für die Mutter, rechtfertigte die 3. Strafkammer des Landgerichts Braunschweig am 7. Oktober 1965 sogar das 1944 ergangene Todesurteil. Erst 1991 erreichte Helmut Kramer die Wiederaufnahme des Verfahrens. Aufgrund neuer Zeugenaussagen wurde das Todesurteil von 1944 am 20. März 1991 aufgehoben.

Herrn Kramers Engagement ist es zu verdanken, dass das Gefängnis Wolfenbüttel dem vorgesehenen Abriss entging und sich heute dort im Hinrichtungsgebäude eine Gedenkstätte befindet. Bemerkenswert ist, dass die Tafel, die an die Opfer erinnert, keinen Hinweis auf die Täter gibt. Viele solcher Opfer-Gedenktafeln und Denkmäler gibt es in Deutschland, die zu offiziellen Anlässen besucht werden. Die Täter, darunter viele Richter, Staatsanwälte und ihre Helfer, werden nicht benannt, so als wenn es nur Opfer und keine Täter gäbe.

Helmut Kramer mischt sich bis heute politisch ein, weil er weiß, dass unsere Freiheit im demokratischen Staat von allen Bürgern ständig verteidigt werden muss. So kämpfte er viele Jahre für die Rehabilitierung der sogenannten „kleinen Leute", die Deserteure und Widerstandskämpfer ("Kriegsverräter"). Hier ein Auszug aus Helmut Kramers Rede auf der Veranstaltung DENK-MAL: Andacht vor St. Magni – „Die Vergangenheit ist gegenwärtig": Die Todesurteile der Wehrmachtsjustiz gegen die sogenannten „Kriegsverräter“ wurden 2009 endlich aufgehoben; die Opfer wurden damit rehabilitiert. „Nicht rehabilitiert sind damit viele Politiker, die diese Entscheidung 64 Jahre hinausgezögert haben“, so Helmut Kramer.

Welches Menschenbild und Staatsverständnis verbirgt sich hinter der Geringschätzung der Resistenz der ‚kleinen Leute‘, auch der kleineren Verweigerungsformen im Alltag des Nationalsozialismus?
Bezug nehmend auf das „Denkmal des Deserteurs" in Braunschweig, ging Helmut Kramer auf den Widerstand der ‚Kleinen‘ und der ‚Eliten' in seiner Ansprache besonders ein, indem er unter anderem von "verzögerter Moral" der ‚Eliten' sprach. So werden die Verschwörer vom 20. Juli jährlich mit Staatsakt und Ritualen geehrt (angeordnete Offizialtrauer), die mutige Tat des „kleinen Mannes" zählt bisher nicht, diese werde seit 60 Jahren hart ausgeblendet. Bis vor wenigen Jahren galt das Sprengstoffattentat auf Hitler von Georg Elsner im Münchener Bürgerbräukeller 1939 noch als kriminell.

Helmut Kramer lässt auch im tagtäglichen Geschehen nicht locker. Er greift ein, wenn er Rechtstaatlichkeit bedroht sieht, wenn er Verschleierung und Rechtsmissbrauch durch die Mächtigen erkennt. So erstattete er am 23.12.09 bei der Staatsanwaltschaft Potsdam Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt gegen Angehörige der Bundeswehr, weil  die Spuren des Bombardements vom 04. September 2009 am Kundus-Fluss beseitigt wurden.

Für Dr. Helmut Kramer findet am 17. und 18. April 2010 im Leibniz-Haus in Hannover aus Anlass des 80. Geburtstags ein Symposium statt mit dem Thema "Der Kampf um die Vergangenheit. Das Wirken ehemaliger Wehrmachtsjuristen im demokratischen Rechtsstaat aus der Sicht der Opfer." Am Samstagvormittag wird der Jubilar vom „Forum für Justizgeschichte“ für seine Verdienste und herausragende Leistungen zur Verteidigung der Bürgerrechte mit dem Werner Holtfort-Preis geehrt.

Alle freiheitlich demokratisch gesinnten Braunschweiger freuen sich mit dem Humanisten und Friedenskämpfer Dr. Helmut Kramer über diese ehrenvolle Auszeichnung. Wir sind dankbar, dass er sein Lebenswerk in unserer, hinsichtlich der Vergangenheitsbewältigung schwierigen Stadt, mit uns teilt. Wir wünschen ihm zum 80. Geburtstag vor allem Gesundheit, Lebensfreude und Tatkraft.

Auf meine Frage vor wenigen Tagen, was er sich zu seinem Geburtstag wünsche, sandte er mir das Manuskript

mit der Bitte um Veröffentlichung zu. Diesen Wunsch erfüllen wir mit Freude. Öffnen Sie die PDF-Datei.