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08.07.06 Kanalgeschichten oder die Verschiebung von Wahrheit (Teil 11)
Geschrieben von: Karl Fr. Eckhardt   
Es gibt vielleicht spannendere Geschichten in einer zu schreibenden Geschichte der Geschichten. In der Epik reisen Helden durch den Abenteuerraum, im Roman Heldinnen durch Lebens- und Weltzeit, treiben im Strom des Bewusstseins .... hier treiben wir im Strom der städtischen Abwässer von Braunschweig und beobachten gebannt, wie er beherzt einen Gierfinger in den gürldenen Schlamm der Kanäle hineinsteckt und einen Goldfinger wieder herauszieht. Was fürr ein kürhner Griff und welche Beute: mehr als 100 Millionen Euro! Aber Geld stinkt eben manchmal doch, wird er spätestens dann merken, wenn er auf der Suche nach neuen, unerschlossenen Schätzen mit dem vergoldeten Gierfinger einmal in der Nase bohren sollte - diese Vermutung sei hier gewagt.

Zur Erinnerung an unsere letzte Folge: Der Oberbürrgermeister der Stadt Braunschweig, Dr. Gert Hoffmann, behauptete wiederholt, dass es nie eine Beitragssatzung fürr die Stadtentwässerung von Braunschweig gegeben habe, die Nutzer und Gebürhrenzahler also fürr den Bau des Kanalnetzes satzungsgemäß nie einen finanziellen Beitrag geleistet hätten.

Nachweislich gab es aber immer Beitragssatzungen, seit das erste Entwässerungsstatut 1888 in Kraft trat. 1923 wurde das Statut insofern geändert, wie von dieser Zeit an die Nutzer und Gebürhrenzahler sogar zu 100 Prozent fürr den Bau der Kanäle aufzukommen hatten. Neben einmaligen Beiträgen zur Erstellung der Anlagen geht es hauptsächlich um regelmäßig wiederkehrende Beiträge, die im Gebürhrenbescheid enthalten sind fürr die ürbernahme von Zins- und Tilgungsverpflichtungen aus den Investitionskrediten.

Das ist von weitreichender Bedeutung. Denn nur, wenn die Kommune selbst aus dem ordentlichen Steuerhaushalt den Bau des Entwässerungssystems finanziert hätte, ließe es sich rechtfertigen, dass Dr. Gert Hoffmann mehr als einhundert Millionen Euro aus dem Gebürhrenhaushalt fürr den ordentlichen Haushalt vereinnahmen kann. Anderenfalls mürsste das Geld im Gebürhrenhaushalt bleiben, sei es fürr die Anlage von Rürcklagen fürr zukürnftige Investitionen, sei es zur direkten Entlastung der Gebürhrenzahler durch eine Gebürhrensenkung.

Alles spricht auch dafürr, dass die Statuten eingehalten wurden und die Kosten fürr den Bau der Kanäle tatsächlich ürber verschiedene Zahlungsmodalitäten zu 100% auf die Beiträge der Nutzer abgewälzt wurden:
- teils durch direkte Beteiligung der Nutzer mit einmaligen Beiträgen,
- teils durch die Bezahlung meist jährlich abgerechneter, periodisch wiederkehrender "Beiträge" zum Abtrag der Zinsen und Tilgungen von Darlehen, und
- teils auch durch Anhäufung von Rürcklagen, die dann bei erhöhtem Finanzbedarf in Anspruch genommen werden konnten, um größere Gebürhrenschwankungen auszugleichen.

Schauen wir uns beispielhaft den Entwässerungshaushalt von 1957 an, der noch den Bestimmungen des Statuts von 1888 unterworfen war. Es gab einen ausgeglichenen Haushalt mit Einnahmen und Ausgaben von 2.650.779,08 DM. Aus dem städtischen Steuerhaushalt wurde kein Geld zugefürhrt, allein die Nutzer kamen fürr Unterhalt und Bauinvestitionen auf. Zu den Einnahmen gehörten auch 12.120,36 DM Zinsen aus Rürcklagen. Es wurden also auch schon unter der ersten Satzung Rürcklagen aus Beiträgen angelegt, auch wenn im Statut von 1888 (mit der Änderung von 1923) die Modi der Finanzierung nicht festgeschrieben sind.

Ausgegeben wurden 1957 neben den Betriebskosten unter anderem
- 307.175,76 DM fürr Zinsen und
- 197.196,47 DM fürr die Tilgung von Darlehen - Beiträge im Sinne heutiger Rechtssprechung, mit denen der Bau der Kanäle finanziert wurde. Dazu wurden auch noch
-  608.552,09 DM an die Rürcklage ürberfürhrt und es floss zusätzlich direkt Geld aus dem ordentlichen Entwässerungshaushalt in Kanalbaumaßnahmen, die dann eben nicht ürber neue Darlehen oder die Inanspruchnahme von Rürcklagen finanziert werden mussten:
- 71.548,01 DM flossen in die Erneuerung und Erweiterung von Straßenkanälen,
- 438.000,00 DM in den Neubau von Entwässerungskanälen und
- 114.838,96 DM wurden fürr die Ausfürhrung von Straßensinkkästen und Hausanschlürssen verwendet.

Allem Anschein nach wurde ordentlich gewirtschaftet, und soweit es Zuschürsse von Bund, Land und auch Beiträge aus dem ordentlichen Haushalt gab, deutet nichts darauf, dass diese Beiträge den jeweiligen Anteil ürberstiegen, von
- Bundesstraßen und Einrichtungen des Bundes,
- Landesstraßen und Einrichtungen des Landes, sowie von
- kommunalen Straßen und städtischen Einrichtungen wie der allgemeinen Verwaltung, Schulen und Krankenhäusern.

Das Statut von 1888 behielt mit der Änderung von 1923 seine Gürltigkeit bis in das Jahr 1961. Mit dem 21. November 1961 wurde dann eine neue "Satzung ürber die Abwasserbeseitigung der Stadt Braunschweig" beschlossen, die am 1. Januar 1962 in Kraft trat. Geändert wurde mit dem Statut von 1961 der Maßstab fürr die Bemessung des Anteiles der einzelnen Nutzer an den Gesamtkosten.

Zuvor wurde - nach § 11 des Statuts von 1888 - der Anteil einzelner Nutzer nach dem Wert ihres angeschlossenen Grundstürckes bemessen: "Die Beiträge der grundsteuerpflichtigen Wohnhäuser bemessen sich nach dem Verhältnisse ihre Grundsteuercapitals" oder ersatzweise nach ihrem Nutzwert: "nach dem Verhältnisse der Hälfte ihres Miethwerths". Fürr Betriebe und Fabriken, deren Abwasserbeseitigung besonderen Aufwand erforderte, wurde die Vergürtung dieses Aufwandes - nach § 10 des Statuts - vom Stadtmagistrat alljährlich gesondert festgelegt: "Gewerbliche Etablissements, insofern das Maaß oder die Art ihrer Abwässer die Herstellung oder Unterhaltung der Canäle unverhältnismäßig vertheuert oder die Benutzung der letzteren in einem bedeutenden Grade erforderlich macht, sind in dieser Hinsicht zu besonderen Beiträgen verpflichtet."

Nach 1961 wurde dann das Verursacherprinzip auch allgemein stärker zur Grundlage der Gebürhrenerhebung: "Die Benutzungsgebürhr wird nach der Abwassermenge des angeschlossenen Grundstürcks berechnet" - legt § 12, Abs. 1 der neuen Abwasserbeseitigungssatzung fest.

Nicht mehr der Wert der angeschlossenen Grundstürcke war damit maßgebend, sondern die Abwassermenge, die dem städtischen Kanalsystem zugefürhrt wurde. Da sich die Menge des tatsächlich eingeleiteten Schmutzwassers meist schwer messen lässt, wurde statt dieses "Wirklichkeitsmaßstabes" seit 1962 mit einem Ansatz entsprechend dem Frischwasserverbrauch hilfsweise auch ein "Wahrscheinlichkeitsmaßstab" fürr die Erhebung der Abwassergebürhren eingefürhrt.

Die Änderung von 1961 betraf nicht das "Deckungsprinzip" der Gebürhren- und Beitragserhebung. Nach wie vor hatten die Nutzer nicht nur fürr den Unterhalt, sondern auch zu 100% fürr den Bau der Kanäle aufzukommen. Die Eigenschaft der Satzung als "Beitragssatzung" im Sinne des Gesetzes wurde mit § 11, Abs. 1 nicht aufgehoben, sondern präzisiert und bekräftigt (meine Hervorhebung):

Fürr alle an die Stadtentwässerung angeschlossenen Grundstürcke werden zur Deckung der aufgewendeten Beträge fürr die Verwaltung, den Betrieb, die Unterhaltung und Erneuerung der Stadtentwässerung, fürr die Bildung von Erneuerungsrürcklagen sowie fürr die Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals und fürr die Mitgliedschaft im Abwasserverband Braunschweig Benutzungsgebürhren erhoben. Fürr die Ableitung des Niederschlagswassers von öffentlichen Straßen und Plätzen trägt die Stadt 5 v. H. dieses Aufwandes.

Fortsetzung folgt