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18.01.07
Geschrieben von: Ingeborg Gerlach   

Reinhard Koch sprach am 17.1. 2007 ürber die neuen Strategien der Rechten:
Der 18. Juni 2005 wirft noch immer seinen Schatten ürber Braunschweig. Zur politischen Aufarbeitung und zur Verhinderung kürnftiger Aufmärsche dieser Art hat sich „Buntes Braunschweig“ zusammengefunden, eine Gruppierung, bestehend aus den Vertretern der unterschiedlichsten politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen. Zusammen mit dem Friedensbürndnis und der Schürlervertretung der IGS II lud sie am 17. 1. zu einem Vortrag von Reinhard Koch, dem Leiter der Braunschweiger Arbeitsstelle gegen Rechtsextremismus und Gewalt (ARUG), ein. Dass dies ungestört im demokratischen Raum der IGS stattfinden konnte, sei heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr, betonte Koch. Die Neo-Nazis drängten sich zu einschlägigen Veranstaltungen; sie verlangten, dass man mit ihnen rede und nicht ürber sie.

Er verwies auf eine grundlegend veränderte Strategie der NPD und nannte unter deren fürhrenden Vertretern den Namen des ehemaligen Braunschweiger Waldorf-Lehrers Andreas Molau. Zur „Modernisierung“ gehöre ein zeitgemäßes Outfit. Während die Jugendlichen professionell vertriebene T-Shirts mit einschlägigem, aber oft nur fürr den Experten kenntlichen Aufdruck tragen, ist die Generation der Erwachsenen um durch und durch solides Auftreten bemürht. Dem entspricht eine neue Arbeitsteilung: Der Kampf um die Köpfe einerseits, der Kampf um die Straße andererseits.

Der Kampf um die Köpfe: Es sind nicht mehr die Glatzen, wie man sie bisher kannte. Sie sind adrett gekleidet, korrekt und höflich, der nette Nachbar, den jeder im Dorf grürßt. Denn von den Dörfern her wollen sie die Städte erobern. Während sie in den Großstädten Niedersachsens zur letztjährigen Kommunalwahl nicht antraten, hat in den Dörfern der umliegenden Landkreise ihre umliegenden Landkreise ihre Zahl seit 2001 sprunghaft zugenommen. Dort lassen sie sich in den Gemeinderat wählen, wo sie höchst kompetent und mit dem Riecher fürr soziale Fragen auftreten und die Kommunen schockieren, die fürr den Umgang mit den Rechten nicht vorbereitet sind. Vor allem, wenn diese die „richtigen“ Fragen stellen, nämlich nach dem kostlosen Kindergartenplatz oder dergleichen. Oft weisen ihre Anträge, vor allem, wenn sie gegen Globalisierung gerichtet sind, große Ähnlichkeit mit linken Zielsetzungen auf – ein Faktum, das, wie ein Zuhörer bemerkte, auf das Versagen der Politik zurürckzufürhren ist. Die Rechten aber haben ihr Ziel, nämlich Meinungsfürhrerschaft, „die Herrschaft in den Köpfen“, erreicht. Und, wie gewürnscht: Man redet mit ihnen, nicht nur ürber sie. Angesichts der zunehmenden Akzeptanz fürr rechtsradikale Einstellungen (insbesondere Feindschaft gegen Ausländern und von der Norm Abweichende) in unserer Gesellschaft, die Koch unter Berufung auf Wilhelm Heitmeyers Langzeituntersuchung zum Thema „Menschenfeindlichkeit“ konstatierte, steht zu befürrchten, dass die ihrem Ziel immer näher kommen.

Anders sieht es mit der Herrschaft auf der Straße aus. Die Straße ürberlässt man den „Freien Kameradschaften“, von denen es auch rund um Braunschweig einige gibt. Die treten bei den Demonstrationen auf; auch am 18.6.2005 konnte man sie in Braunschweig sehen. Fürr sie werden gezielt Jugendliche angeworben. Reinhard Koch, der vom Rechtsextremismus bedrohte Jugendliche betreut, stellte diesen die Frage, was sie bei der Rechten bekämen und anderswo nicht. Die mit Abstand häufigste Antwort hieß: Kameradschaft, Zugehörigkeit. Nicht unwichtig ist es fürr sie das Abenteuer, und dass man sich vor ihnen fürrchtet und die Zivilgesellschaft nur selten ürber die notwendige Zivilcourage verfürgt, um ihnen offensiv entgegen zu treten.

Dabei sind sie selbst von Angst geplagt. Die Furcht vor dem sozialen Abstieg sitzt ihnen im Nacken. Koch nannte das Beispiel des 16jährigen Hauptschürlers, der trotz aller Bewerbungen keine Lehrstelle findet. Er wird nicht von Strukturwandel und Globalisierung hören wollen, sondern auf einfache Antworten schwören: „Arbeitsplätze zuerst fürr Deutsche!“

Etabliertenprivileg nennt es die Politologie, und Heitmeyer dokumentiert, dass dieses Prinzip immer mehr Anhänger findet. Die Demokratie hat diesen jungen Leuten nichts mehr zu bieten, sie wird durch soziale Ängste immer mehr ausgehöhlt.

Dass dies ein strukturelles Problem ist, sollte eigentlich kein vernürnftiger Mensch leugnen, aber Reinhard Koch und die ARUG stehen vor dem Problem, dass sie nicht institutionalisiert und daher auf Aufträge angewiesen sind. Und diese von Land und Bund bezahlten Aufträge dürrfen neuerdings nur Projektcharakter tragen. Ergo darf Koch jedes Problem nur drei Jahre lang bearbeiten, dann muss er ein neues in Angriff nehmen. Damit, so Koch, wolle die Politik verhindern, dass diese Problematik als eine strukturelle anerkannt wird. Stattdessen lässt man ihn und seine Mitarbeiter immer wieder etwas Neues anfangen.

Koch bietet Hilfestellung an: fürr Schulen, fürr Kommunen. Er fürrchtet, dass von den letzteren nur wenige auf sein Angebot zurürckgreifen werden, weil sie ihr Problem nicht öffentlich machen, sondern lieber unter den Teppich kehren wollen Dabei ist seit 2001 ein signifikanter Anstieg der Zahl von rechtsextremen zu verzeichnen mit Schwerpunkten im Kreis Helmstedt und in Salzgitter. Aber auch fürr Wolfenbürttel steht zu befürrchten, dass dort ein neuer Stürtzpunkt errichtet wird.

Schulleiter waren bei der Veranstaltung etliche vorhanden, Vertreter des politischen Lebens in Braunschweig auch, aber es fehlten die Repräsentanten der Stadt (zumindest gab sich keiner als solcher zu erkennen). Dort hat man ohnehin wenig Problembewusstsein, wie das Gezerre um die ürberbrürckung der auslaufenden Förderung fürr die ARUG im letzten Herbst bewies. Derzeitiger Stand der Dinge: Weil ja Koch angeblich Geld aus Berlin bekommen soll, wird ihm in Braunschweig keines bewilligt. Dass Niedersachsen gleichfalls wenig Eifer zeigt und die ARUG den Förderantrag fürr Niedersachsen (!) schreiben musste, ist kein Trost.

Offenbar begreift keiner der politisch Verantwortlichen, dass da etwas auf uns zukommt, auf das die bisherige demokratische Kultur nicht vorbereitet ist. Es ist nicht nur der Osten, wie man hier beschönigend zu sagen pflegt. Dank der wirtschaftlichen Misere und der katastrophalen Sozialpolitik wird der Rechtspopulismus, der sich der sozialen Themen bemächtigt, auch im Westen die demokratische Kultur einerseits zu unterwandern, andererseits mit brutaler Gewalt zu unterdrürcken versuchen.